Halofixateur

Was ist ein Halofixateur?

Der Begriff setzt sich aus den zwei Worten Halo - griechisch für Ring - und Fixateur - französisch für Festhalte- und Spannsystem zusammen.
Es handelt sich um ein orthopädisches Gestell, mit welchem die Halswirbelsäule und der Kopf in eine Sollstellung zur Heilung nach einer Fraktur gebracht wird. Dabei umspannt ein Ring (Halo) den Kopf. An ihm befinden 4 Pins, die zur Stabilisierung in den Schädel geschraubt werden. Das klingt einwenig wie Gruselkabinett. Die Pins gehen zwar duch die Haut hindurch, aber sie sitzen "nur" auf der Schädeldecke. Sie sind aus Titan und damit für den Körper nicht allergieauslösend. Damit die "Löcher" sich nicht entzünden, werden sie regelmäßig mit einem Antiseptikum behandelt.
Die Stirn runzeln konnte ich allerdings nicht mehr.
An den Pins sind wiederherum Stäbe angebracht, die mit einer Kunststoffweste verbunden sind.
Somit kann man den Kopf keinen Milimeter mehr bewegen - was ja auch Sinn und Zweck der Prozetur ist.
Die Kunststoffweste ist mit Kunstpelz (in meinem Fall) "ausgepolstert". Man fühlt sich extrem eingequetscht. Durch meinen Gewichtsverlust drückte der Fixateur dermaßen auf meine Rippen und den Bauch, das ich sogar beim Sitzen Schmerzen am Bauch hatte.

Niesen, Nase putzen oder gar Husten ging damit nicht mehr.

Die Kunststoffweste sollte man sich eher wie einen Panzer vorstellen. Sie besteht aus Rücken- und Brustplatte, welche mittels zwei verstellbaren Laschen (auch Kunststoff) straff verbunden werden.

Die Metallkonstruktion ist aus einer Aluminiumlegierung, so das man trotzdem zur Überprüfung des Heilungsverlaufes geröngt werden kann.
In regelmäßigen Abständen wird der Sitz des Halofixateur überprüft und die Schrauben nachgezogen.

Der Fixateur verbleibt je nach Heilungsverlauf für ca. 12 Wochen auf dem Kopf. Er hat ein Gewicht von ca. 2 Kg.

Man muß erst lernen, damit umzugehen.
Vor der OP sind mir die Haare - ehemals lang - abrasiert worden. Dann sieht man sich nach so langer Zeit (4 Wochen Koma) das erste Mal im Spiegel und sieht den kahlen Schädel und dieses Gestell. Es war ein bissel wie ein schlechter Film über Marsmännchen. Nicht zu vergessen die Verletzungen im Gesicht.

Der Fixateur verändert allein durch sein Gewicht auf dem Körper die Wahrnehmung und Balance. Und durch die Ruhigstellung des Kopfes muß man sich komplett anders bewegen. Ich hatte größte Probleme, mich aufzurichten oder hinzulegen. Am Anfang ging das nur mit Hilfe einer anderen Person.

Und dann war da ständig das Gefühl, im nächsten Moment vornüber zu kippen. Mit der Zeit und dem Zurückkehren von Kräften lernte ich, selbst aufzustehen oder mich hinzulegen. Da gehört nämlich verdammt viel Koordination dazu.

Apropo Liegen. Man kann es sich nicht vorstellen, aber man kann mit diesem "Folterinstrument" schlafen. Das geht zwar nur auf dem Rücken - aber es geht. Dabei liegt man allerdings nicht mit dem Hinterkopf auf dem Kissen. Durch das Gestell wird man auf "Abstand" zum Kissen gebracht. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, mit "freischwebenden" Kopf zu liegen.
Für mich war besonders beeinträchtigend, dass ich nicht auf der Seite schlafen konnte - mach ich nämlich sonst. Am Anfang hatte ich noch Angst, dass etwas passiert und hatte auch nicht die Kraft, mich zur Seite zu drehen. Mit der Zeit gelang es mir - eine Wohltat für meinen Rücken. Man kommt sich ein bissel wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte vor.

Schlimm war auch die Wärme. Zum einen draußen - im September waren es teilweise noch über 25 Grad - und zum anderen schwitzt man unter dem Kunstpelz jämmerlich. Es ist ja auch keine richtige Reinigung des Körpers möglich, denn unter die Kunststoffweste kommt man maximal 2 Zentimeter am Rand.
Als ich wieder etwas zu Kräften kam, durfte ich auch wieder duschen. Mit dem Fixateur ein kleines Abenteuer, denn im Liegen wurde vorsichtig die Weste geöffnet, um den Pelz rauszunehmen. Und wieder straff verschlossen.
Dann ab unter die Dusche. Aus den genannten Balancegründen zur Vorsicht nur im Sitzen.
Der Arzt, der mir das Teil "verpasste", meinte sogar gegenüber meinem Freund, man könne damit sogar schwimmen gehen. Kann ich mir aber nicht so recht vorstellen.
Die Klamottenfrage hat sich auch ziemlich schnell geklärt: es passen nur vorn geknöpfte Sachen mit großem Ausschnitt.

Der Tag der Erlösung
Irgendwann geht selbst die schlimmste Zeit vorbei - heißt: der Fixateur wird entfernt.

20.10.2003 - der große Tag und ich wußte nicht, ob ich mich freuen soll. Ich hatte Angst! Angst, davor, ob ich meinen Kopf überhaupt selber noch halten kann und ob ich Schmerzen haben werde. Reichlich 12 Wochen hielt ja der Fixateur meinen Kopf fest. Und jeder weiß, wie schnell sich Muskeln zurück bilden.
Ich hörte von vielen Seiten (auch vom Doktor Pätzug) es würde nicht weh tun. Wenn man das Ding aber selbst auf dem Kopf hat, hat man sehr gemischte Gefühle.
Nach einer Beruhigungstablette sollte es losgehen. Ein wenig mußte ich trotz meiner Angst schmunzelt, als Doktor Pätzung mit einem Schraubschlüsselsatz ins Zimmer kam. Es hätte nur der "Blaumann" gefehlt und er wäre als Hausmeister durchgegangen.
Er erklärte mir, wie er jetzt Schritt für Schritt vorgehen würde. Eine Krankeschwester stand hinter mir und hielt unterstützend meinen Kopf fest. Und dann ging es los. Metallstab für Metallstab, und Schraube für Schraube wurde "mein" Fixateur zerlegt. Ein wenig unangenehm war es, als die Pins "im" Schädel abgeschraubt wurden. Aber nicht sehr schmerzhaft.
Und plötzlich hatte ich wieder die Gewalt über meinen Kopf! Ich traute mich natürlich noch nicht, ihn zu bewegen und hielt ihn starr. Ich konnte ihn nach meiner Verletzung nur wenige Millimeter bewegen.
Zur weiteren Stützung bekam ich eine feste Halskrause angelegt. Die sollte ich für rund 4 Wochen anbehalten. Anschließend nur noch nachts, um unkontrollierte Bewegungen auszuschließen.
Es war ein total befreiendes Gefühl. Ich konnte zum ersten Mal seit so langer Zeit meinen Freund drücken, ohne ihn ein Horn zu schlagen.
Ich wurde ein neuer Mensch. Viele Dinge, die sich zuvor kompliziert gestalteten (Duschen), gingen mit der neuen Freiheit viel einfacher von der Hand.
Die "Löcher" von den Pins verheilten ziemlich rasch.

Zur Sicherheit mußte ich noch für einige Wochen eine starre Halskrause tragen.


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